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Türchen

Herzlich willkommen beim 5. Türchen!

Wie man die Winter übersteht, eine lange Krankheit, Lockdowns, öde Zeiten

In the midst of winter, 

I found there was, within me, 

an invincible summer.

Albert Camus

Wir sind so angefüllt mit Herrlichstem: mit Bildern, Klängen, Düften, ganzen Filmen voller wunderbarer Erlebnisse und von durchlebtem Glück. Die erste zarte Umarmung des oder der Liebsten, die Reise ans Meer und das tiefe, tiefe Einsaugen der Salzluft, die Farben des Hochsommers mit seinem reifen Getreide, die Winzigkeit der Fingernägel meines Kindes, damals, als es ein Neugeborenes war. Das erste Hören des ersten Akkords des Kyrie aus Bachs h-Moll-Messe und viel später dann noch die Empfndung, wie es durch die eigene Kehle tönte inmitten aller Mitsänger und die Welt zu einer Kathedrale wurde, damals, als man noch singen konnte.

Wir sind so angefüllt mit Allerschönstem, dass wir schier bersten müssten. Der Blick aus dem Fenster, grauer als grau vielleicht schon seit Wochen in diesem Winter – aber wie greifbar nah sind die anderen Jahreszeiten, die ich schon durch genau dieses Fenster sah, bei geöffnetem Fenster auch hörte und roch und schmeckte: den Vogelgesang aus Dämmerstunden im Frühling, den schweren und zugleich heiteren Geruch der Luft nach einem Sommerregen, den Tanz der Krähen in den Herbststürmen. 

Wir sind so angefüllt schon mit zuvor erlebten Wonnen, und dazu noch können wir uns jederzeit, einfach aus eigenen Quellen, anfüllen mit sämtlichen Genüssen der Vorfreude und der Phantasie, wir können fiegen mit den Flügeln der Vorstellungskraft und reisen, wohin auch immer wir wollen, kraft der Zaubermacht unserer Wünsche und Sehnsüchte. 

Unsere Vorratskammern sind voll bis an den Rand. Sie sind Erinnerungsgärten, sogar Urwälder, üppig grün und vielfarbig und intensiv duftend, oder sie sind zart und pastellig und hauchfein – denn sie enthalten nicht das, was allen schmeckt, sondern genau das, was mir selbst am meisten mundet, was mich am tiefsten nährt, meine Lieblingsspeisen und den Lieblingswein; sie enthalten auch alle Wunder, die mich am Leben erhalten haben und die Art, wie das Vibrieren meiner Seele mich bis hierher getragen hat. Sie enthalten meine ganze Liebe und alle Arten, wie ich je geliebt worden bin. 

Und welche Freude unserer im Blut und allen Zellen gespeicherten Erinnerungen, wenn sie nochmals, tief und tiefer, bis an den Grund und in ihre feinsten Verzweigungen, ausgekostet werden, bevor wir wieder neue Wonnen in die Speicher einlagern! 

Noch gar nicht war bisher gesprochen vom Losbrechen unsers Jubels bei Wiederkehr des Frühlings, der weckenden und sprossenden Kräfte, der leibhaftigen Begegnungen und der Aufbrüche in neue Welten, nach langem Zehren aus den Vorräten.

(Text: Rani Legde-Naskar)

Wer sich diese wunderbare Geschichte downloaden möchte, kann dies gern hier tun:

 

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